Olympische Erziehung kontra Olympia?

Der „Olympic Science Day“ in Münster

Prof. Dr. Michael Krüger, Prof. Dr. Roland Naul, Prof. Dr. Annette Hofmann und Thomas Michel (v.l.) begrüßten die Studierenden. ©WGI Münster/Austermann

Der Olympic Day 2019 begeisterte am 26. Juni über 3.200 Teilnehmende im Kölner Rheinauhafen rund um das Deutsche Sport & Olympia Museum. Doch neben dem zentralen Event für Schülerinnen und Schüler fanden in Kooperation mit der Deutschen Olympischen Akademie (DOA) auch an drei deutschen Universitäten Veranstaltungen statt, in deren Fokus die Olympische Bewegung und olympische Werte standen. Die Nachbetrachtung dieser Veranstaltungen stellen wir in einer dreiteiligen Serie vor. Heute berichten wir im zweiten Teil vom „Olympic Science Day“ in Münster.

Der Wissenschafts-Tag zum Thema beleuchtete am 27. Juni an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster den Wert der Olympischen Erziehung und die Problematiken rund um das Thema Olympia. Die DOA als Ausrichter des Olympic Day kooperierte hier mit dem Institut für Sportwissenschaften und dem Willibald Gebhardt Institut (WGI), einem vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannten Olympic Studies Centre. Als DOA-Vorstandsmitglied stellte zunächst Prof. Dr. Annette Hofmann (PH Ludwigsburg) den rund 40 Studierenden die Aufgaben und Ziele der Akademie vor, zu deren Kern die Vermittlung olympischer Werte im Rahmen der Olympischen Erziehung gehört.

Keineswegs überholt, sondern angesichts der Entwicklungen zeitgemäßer denn je, sind die Inhalte der Olympischen Erziehung. Denn sie folgen einem „grundlegenden Prinzip“, wie Gastredner Thomas Michel, Sportdezernent der Bezirksregierung Münster, sagte: „Bildungswerte sind gerade der nachwachsenden Generation zu vermitteln.“ Eine Werterziehung im Sport und auch durch den Sportunterricht trage dazu bei, eine Bereitschaft zu Anstrengung und zur Steigerung der individuellen Leistung Hand in Hand mit der Anleitung zu Fairplay und zur Achtung des Gegners zu vermitteln.

„Wir alle wissen, dass man in Bezug auf den Begriff Olympia einen Spagat hinbekommen muss. Allein angesichts der umstrittenen Vergabe der Spiele ist gegenüber Olympia an sich die Haltung in Deutschland auf einem desaströsen Tiefpunkt“, befand Michel. Die Berichterstattung über das Ereignis konzentriere sich häufig auf die Auswertung des Medaillenspiegels, von Athletinnen und Athleten werde der Siegeswille über alle anderen Werte gestellt. „Die Olympia-Diskussion und die olympischen Werte stehen sich gegenüber.“ Letztere aber sollten auch in der Schule vermittelt werden. „Der Sport wirkt erziehend und bildend.“

Und: Wünschenswert sei „eine Begegnungskultur, ein weltoffener Geist und die Wertschätzung des anderen.“ Wenn denn „der Patient Olympia“ einer „schleichenden Erkrankung“ anheimgefallen sei, müsse die Idee wieder gelebt werden. „Der Sport ist das Vehikel für friedliches Miteinander.“

Prof. Dr. Roland Naul, stellvertretender Präsident des WGI, knüpfte in seinem Vortrag zu den „Konzepten der Olympischen Erziehung in Europa“ daran an: „Die Olympische Erziehung darf die negativen Einflüsse auf den olympischen Sport nicht ignorieren.“ Sondern müsse sie thematisieren, um immer wieder die „ethisch-moralische Haltung“ der einst „Olympismus“ genannten Bewegung zu betonen.

Im Rückblick auf die Geschichte der Gründung des IOC im Jahr 1894 hielt Naul fest, dass die Gründerväter bereits festschrieben: „Schneller, höher, weiter gilt nicht dem Streben nach Rekorden. Sondern wurde als Lebensaufgabe definiert.“ Gerade heutzutage sei angezeigt, sich an einen Grundgedanken zu erinnern. „Olympia ist stets den Erfordernissen der Gesellschaft anzupassen“, zitierte Naul den französischen Historiker und Pädagogen Pierre de Coubertin, den wohl bekanntesten Gründer des IOC.

Am Nachmittag des Olympic Science Day hielt Professor Dr. Michael Krüger (WWU Münster) eine kenntnisreiche Vorlesung mit Diskussion zum Thema: "Legacies in der Geschichte der Olympischen Spiele im gesellschaftlichen Kontext der Gründerjahre". Er spannte den historischen Bogen zwischen dem 1. Olympischen Kongress in der Pariser Sorbonne (1894) bis in die Anfänge der 1930er Jahre mit der Vergabe der Olympischen Spiele nach Berlin für das Jahr 1936. Dabei wurde die nachhaltige Olympische Bewegung bis zum 1. Weltkrieg in den internationalen Zusammenhang mit anderen gesellschaftlichen Bewegungen in den Gründerjahren (z.B. Friedens-Bewegung, Pfadfinder-Bewegung, Hygiene-Bewegung, Olympische Kongresse u.a.) eingeordnet, von denen sie einerseits Impulse erhielt, andererseits dafür selbst Impulse setzte.

Text: Thomas Austermann, DOA