Krieg, Frieden und Olympismus

In Litauen diskutierten NOA-Delegierte über friedenstiftendes Potenzial der Olympischen Bewegung

Gruppenbild beim EOA-Seminar Klaipeda
Gruppenbild der Teilnehmenden des EOA-Seminars in Klaipėda. ©EOA/Simona Grazyte

Inwiefern kann die Olympische Bewegung helfen, den Krieg in der Ukraine zu beenden? Diese Frage begleitete das EOA-Seminar in der litauischen Hafenstadt Klaipėda, zu dem der Dachverband „European Olympic Academies“ vom 24. bis zum 26. August geladen hatte. Treffpunkt der ersten Ausgabe der neuen Eventreihe war die Universität Klaipėda, Gastgeber die Litauische Olympische Akademie. Delegierte von sieben Nationalen Olympischen Akademien (NOAs) waren vor Ort dabei. Zudem schalteten sich viele Teilnehmende weltweit über einen Livestream bei der hybriden Veranstaltung hinzu.

Die Olympische Bewegung als Soft Power

Das Motto der Veranstaltung lautete „The Olympic Movement for international understanding and peace”. Im Mittelpunkt stand der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der neben großem Leid für die Bevölkerung auch den Sport unmittelbar trifft. Einerseits wurden seit Kriegsbeginn, als augenscheinlichste Folge, mehr als hundert Sportanlagen und damit die Trainings- und Wettkampfgrundlage für zahlreiche ukrainische Athlet*innen zerstört. Andererseits wurden die Sportverbände von Russland und Belarus sowie ihre Athlet*innen aus dem internationalen organisierten Sport ausgeschlossen.

Nach fünf Fachvorträgen, einer Podiumsdiskussion und Workshops können als Learnings des Seminars festgehalten werden:

Der Sport kann Frieden fördern, jedoch bedarf es weiterer politischer und über den Sport hinausgehender Eingriffe, um das Leid in der Ukraine zu beenden.

Die Olympische Bewegung ist in einem Dilemma. Indem sie das russische und belarussische NOK ausschließt, weil deren Heimatländer Olympische Ideale brechen, verletzt sie zugleich ihr eigenes Prinzip – nämlich, dass jede*r qualifizierte Sportler*in berechtigt ist, an Olympischen Spielen teilzunehmen.

Logik des Sports als Logik des Friedens

In seiner Eröffnungsrede erinnerte der EOA-Präsident und stellvertretende DOA-Vorsitzende Prof. Dr. Manfred Lämmer an die Pflicht der NOAs: „Völkerverständigung, Frieden, Solidarität und Kooperation zu fördern ist ein Kernelement der Olympischen Idee und der Olympischen Charta.“ Daher seien die Olympische Bewegung und die mit ihr verbundenen Institutionen verpflichtet, zu handeln.

Den ersten Impulsvortrag hielt anschließend Prof. Dr. Dionyssis Gangas, Berater des Präsidenten der Internationalen Olympischen Akademie. Er berichtete, wie die Olympischen Spiele in der Vergangenheit von politischen Akteur*innen benutzt wurden, um eigene Interessen zu verfolgen. Auf die Frage, ob das Internationale Olympische Komitee seine Soft Power nutzen könne, um Staaten von brutalen Angriffskriegen abzuhalten, war sich Prof. Gangas sicher. „Nein“, lautete seine knappe Antwort. Dennoch sieht er es kritisch, dass russische und belarussische Athlet*innen für die Taten ihrer Heimatländer bestraft werden, indem sie von internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen werden.

Dr. Ansgar Molzberger beleuchtete daraufhin die sozialen, kulturellen und politischen Wechselwirkungen, welche die Olympische Geschichte begleiten. „Das IOC war schon immer und ist noch immer umgeben von nationalen Tendenzen und politischen Einflussnahmen“, fasste der Sporthistoriker von der Deutschen Sporthochschule Köln zusammen.

Einen spannenden Vortrag hielt Prof. Dr. Jim Parry, Professor der Philosophie an der Karls-Universität in Prag. Er eruierte, inwiefern sich der Sport tatsächlich als Instrument für den Frieden eigne. Seine Schlussfolgerung: „Die Logik des Sports ist die Logik des Friedens.” Allerdings könne Sport nur dann friedenstiftend wirken, wenn er als Teil einer tiefgreifenden Strategie eingesetzt werde.

Weitere Vorträge befassten sich mit den verheerenden Auswirkungen des Krieges auf die ukrainische Sportgemeinschaft. Aus familiären Gründen konnte Prof. Dr. Mariaa Bulatova, EOA-Vizepräsidentin und Präsidentin der Olympischen Akademie der Ukraine (OAU), nicht am Seminar teilnehmen. Sie wurde von Laryssa Dotsenko von der OAU vertreten, die unter anderem über die Solidarität des IOC und der internationalen Sportverbände für die Ukraine berichtete. Prof. Dr. Olga Kuvaldina, die nach ihrer Flucht aus der Ukraine mittlerweile an der Universität Klaipėda forscht, präsentierte vorläufige Ergebnisse ihrer Studie zu den wichtigsten Bedürfnissen des ukrainischen Sports in Kriegszeiten.

Stärkere NOA-Kooperationen als Ziel

Doch nicht nur der Krieg zwischen Russland und der Ukraine war Thema in Klaipėda. Ein weiteres Ziel des Seminars war, die Zusammenarbeit zwischen den NOAs zu stärken und zukünftige Kooperationen zu ermöglichen. In Kleingruppensitzungen wurde schnell ersichtlich, dass die Akademien viele Gemeinsamkeiten und Herausforderungen in ihrer täglichen Arbeit aufweisen.

Für die DOA nahmen Direktor Dr. Gerald Fritz und Peter Fegers, der neue Referent für Kommunikation, an der Veranstaltung teil. Weitere Vertreter*innen kamen aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei und Tschechien. In ihren Gruppen tauschten sie sich über die verschiedenen Zielgruppen, Aufgaben- und Projektfelder der NOAs aus. Die zwei deutschen Vertreter präsentierten im Nachgang jeweils ihre Gruppenergebnisse vor dem Plenum.

Ergänzt wurde die Tagung von einem angemessenen Rahmenprogramm, das mit einem Segelausflug auf der Kurischen Nehrung am Freitagmorgen abgerundet wurde.

„Das Seminar war ein wichtiger Schritt, um sich in einer politisch prekären Zeit mit den baltischen und osteuropäischen Olympischen Akademien zu verständigen“, hält Dr. Gerald Fritz fest. Gerade die Chance, sich intensiver mit den anderen NOAs zu vernetzen, sei von allen Teilnehmenden gerne wahrgenommen worden. „Ein Ansatz, den wir als DOA auch in Zukunft stärker verfolgen möchten“, so der Direktor.

Weitere EOA-Treffen sind geplant

Eine dieser Möglichkeiten bietet sich im November, wenn in Frankfurt am Main der EOA-Kongress stattfindet. Aber auch das "EOA Seminar Klaipėda" war der Auftakt zu einer Serie von regionalen Foren, die im Frühjahr 2023 in Ungarn weitergeführt wird. In diesen Foren werden sich NOAs und Expert*innen ab sofort regelmäßig zu aktuellen Themen der Olympischen Bewegung austauschen. Gleichzeitig bieten sie eine Plattform für Akademien aus Nachbarländern, um sich zu treffen und Erfahrungswerte zu teilen. Weitere Informationen über das Wirken der EOA finden sich hier.

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    Dr. Gerald Fritz (links) und Peter Fegers vor dem Abflug nach Klaipėda am Frankfurter Flughafen. © DOA/Peter Fegers
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    Ein Teil des Organisationsteams: Algirdas Raslanas, Prof. Dr. Asta Sarkauskiene und Prof. Dr. Manfred Lämmer (v.l.n.r.). © EOA/Simona Grazyte
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    Blick auf die Flaggen der teilnehmenden NOAs während des Vortrags von Dr. Ansgar Molzberger. © EOA/Simona Grazyte
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    Die Delegierten während der Vorlesungsreihe des 1. EOA-Seminars. © EOA/Simona Grazyte
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    Dr. Gerald Fritz diskutiert mit Prof. Dr. Jim Parry nach dessen Vortrag "Can sport really be a tool for peace?". © EOA/Simona Grazyte
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    Austausch während der Kaffeepause: Peter Fegers mit dem Esten Revo Raudjaerv, EOA-Direktor Sönke Schadwinkel mit der Polin Katarzyna Deberny (v.l.n.r.). © EOA/Simona Grazyte
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    Sönke Schadwinkel (rechts) erläutert der Arbeitsgruppe um Dr. Gerald Fritz den Workshop. © EOA/Simona Grazyte
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    Peter Fegers tauscht sich mit seiner Gruppe während des Workshops aus. © EOA/Simona Grazyte
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    Peter Fegers präsentiert die Workshop-Ergebnisse seiner Gruppe den Delegierten. © DOA/Gerald Fritz
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    Dr. Ansgar Molzberger während der abschließenden Panel-Diskussion "The war in the Ukraine: What can the Olympic Movement achieve?". © EOA/Simona Grazyte
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    Gruppenbild des Organisationsteams und der Teilnehmenden des 1. EOA-Seminars an der Universität Klaipėda. © EOA/Simona Grazyte
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    Blick auf das abendliche Klaipėda mit dem weißen Restaurantschiff "Meridian" im linken Hintergrund. © DOA/Peter Fegers
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    Prof. Dr. Asta Sarkauskiene, Gastgeberin und Präsidentin der Lituaischen Olympischen Akademie, und Dr. Gerald Fritz während der Hafenrundfahrt am Freitagmorgen. © DOA/Peter Fegers
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